Vom Bergdorf zur Abfertigungsanlage

Publiziert: 19 Juli 2020

Das MASI zeigt die eindrückliche Fotoausstellung "Lois Hechenblaikner. Ischgl and more. A pop-up-project(ion)".

Ischgl, das ist Ibiza im Schnee. Ballermanntourismus on the rocks, pur. Im März dieses Jahres erschien – als Ergebnis einer Langzeitdokumentation – der Fotoband Ischgl des 62-jährigen Österreichers Lois Hechenblaikner (Verlag Steidl). In einer Diashow werden die Bilder derzeit grossformatig im LAC präsentiert. Dass vor der Vorführwand Stühle zum Sitzen angeboten werden, ist gut. Denn was man zu sehen bekommt, ist heftig-deftig und lässt einen mitunter taumeln.

Delirium Alpinum


Heruntergelassene Hosen, gespreizte pralle Pobacken und aufgeblasene Gummibrüste, an denen genuckelt wird. Beim Après-Ski in Ischgl in Tirol gibt es keine raffinierten Zweideutigkeiten mehr, je plumper und derber, desto grösser die Gaudi. Der Alkohol fliesst aus vollen Schläuchen, und so mancher säuft sich in die Bewusstlosigkeit. Als ein Delirium Alpinum hat Hechenblaikner die Eventexzesse bezeichnet. Wenn der Fotograf auf den Auslöser seiner Grossbildkamera drückt, dann nicht, um blosszustellen oder lächerlich zu machen; sein Anliegen ist das Offenlegen gärender Prozesse in unserer Gesellschaft, die solche ausufernden Halligalli-Sausen notwendig und möglich machen.

Geduldiger Beobachter


Ein Tourismusverständnis, das den Gast nur als zahlende Grösse wahrnimmt, hat Ischgl zu dem werden lassen, was es heute ist: ein Mekka des Alkoholkonsums und billiger Maskerade, die wohl notwendig ist, um auch noch die allerletzten Hemmungen sausen zu lassen. Und während die Kassen klingeln, verwandelt sich das einstig lauschige Bergdorf zu einer Skitouristenabfertigungsanlage, die in ausgeklügelten Systemen die Massen in eine ursprünglich traumhaft schöne Winterlandschaft schleust. Dass der Schnee aus den Kanonen geholt werden muss und es hierfür aufgegrabene Speicherseen braucht, wird hingenommen. Die Eingriffe in die Landschaft sind massiv und gerade im Sommer unübersehbar. Das Verdienst Hechenblaikners ist es, dass er in seinen Werkserien geduldig beobachtet, verfolgt, festhält und offenlegt.

Info

Museo d’arte della Svizzera italiana (MASI)
Piazza Bernardino Luini 6
6901 Lugano
+41 58 866 42 40
info@masilugano.ch
www.masilugano.ch
www.luganoregion.com
www.ticino.ch

Preis
Eintritt frei

Wann

Bis 6. September, Dienstag bis Sonntag, 10.00-17.00 Uhr

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