Wo Brauchtum lebendiger ist denn je

Publiziert: 7 September 2014

Vom südlichen Muggio- bis ins obere Lavizzaratal: Tradition wird im Tessin gross geschrieben. Ein schönes Beispiel für wiederentdeckte Handwerkskunst sind die Stickereien von Sagno.

Einer kreativen Frau aus der Westschweiz hat das Muggiotal am Südende des Kantons Tessin ein einmaliges Kunsthandwerk zu verdanken: Die "Stickereien von Sagno" (auf Italienisch: ricami) dienten einst den Frauen aus der Region als Heimarbeit. Heute sind sie Zeugnisse einer Tradition, die wieder auflebt.

Stickereien brachten zusätzliches Einkommen


Germaine Chiesa-Petitpierre (1890-1963) schuf über 150 Vorlagen für Stickereien aus bunter Wolle auf Jutestoff. Mit dem Maler Pietro Chiesa verheiratet, verbrachte sie ab den 1930er-Jahren die Sommermonate jeweils im Haus der Familie ihre Mannes in Sagno. Sie hatte in Lugano und Mailand gelebt und dort mit ihrem Ehemann regelmässigen Kontakt zu Künstlern gepflegt. Die Armut, von der die Landbevölkerung im Tessin zu dieser Zeit betroffen war, beschäftigte sie. Sie suchte nach der Möglichkeit einer zusätzlichen Einkommensquellen für die Frauen des Tals. Auf einer früheren Reise nach Sizilien hatte sie die Schönheit traditioneller Stickereien entdeckt. Dies brachte sie auf die Idee bestickter Jute. Zwischen 1930 und 1949 entwarf sie nicht weniger als 153 Muster, von denen heute noch 98 erhalten sind.

"Signora Germaine" kreierte über 150 Muster


Die "Signora Germaine", wie sie von der Bevölkerung des Muggiotals genannt wurde, hielt alles genau fest: Art, Farben und Menge der Wolle, Masse und Arbeitsstunden. Ihre Vorlagen mit meist klaren Linien und einfachen Formen, die leicht auszuführen waren, dienten für Kissen, Deckchen, Einkaufstauschen, Buchhüllen, Wanddekorationen usw. Die naturgefärbte und von Hand gesponnene Wolle dafür stammte ab 1933 aus dem Verzascatal. Im dortigen Kunsthandwerksladen in Sonogno sind die Stickereien denn auch heute wieder erhältlich. Die Tradition würde von drei bis vier Frauen weitergeführt, erzählt Marta Arcioni aus Sagno. Sie kümmert sich im Muggiotal um die Herstellung der Stickereien. Gelernt hatte sie das Handwerk von ihrer Schwiegermutter, die einst im Hause Chiesa gearbeitet und direkt bei Germaine Chiesa-Petitpierre gelernt hatte.

Hanf und Gerste kamen unter den Stössel


Nicht nur im Südtessin hat es die Tradition in die Moderne geschafft. Im oberen Maggia- bzw. im Lavizzaratal wurden jüngst Mühlen und Stampfen renoviert. Im gesamten Maggiatal zählte man früher rund 150 Mühlen. In jüngster Zeit wurden in der Region zwei Mühlen wieder instand gestellt, eine in Brontallo und eine in Fusio. Im letzten Dorf des Tales befindet sich auch die letzte noch erhaltene Stampfe des Tessins. Die hölzerne Maschine der Familie Dazio blieb bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Betrieb und wurde zur Verarbeitung von Gerste und Hanf genutzt. Die Stampfe weist zusätzlich zu den beiden zentralen Stösseln noch zwei seitliche auf, die zum Schlagen der Hanffasern dienten.

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