In Chiasso und Locarno beginnt schon im Januar die fünfte Jahreszeit.

Vom Winterloch kann im Januar wirklich keine Rede sein. Wie sein sommerlicher Verwandter, wenn statt öder Saure-Gurken-Zeit ein wichtiges Festival das nächste jagt, bietet es eine ganze Menge. Weihnachtliche Veranstaltungen gehen fast nahtlos ins närrische Treiben über. Und so werden im Tessin Ende Januar bereits die ersten grossen Karnevale gefeiert. Das bedeutet verkleiden, fröhlich sein und feiern – und die Gelegenheit, die zwischen Adventsapéros und Silvesterbuffet angefutterten Pfunde wegzutanzen. Der Startschuss zu Chiassos Nebiopoli fällt am 24. Januar.

Laute Grenzstadt

Hat der “Premierminister” erst einmal die Schlüssel der Stadt in der Hand und die freie Republik Nebiopoli ausgerufen, gibt es fünf Tage lang kein Halten mehr. Die Menschen machen Ferien vom eigenen Alltag. Sind plötzlich Popstar statt Buchhalter, Topmodell statt Busfahrerin. Obwohl man sich im Januar auch im Tessin überlegen sollte, statt Minirock Plüschkostüm zu wählen. Ein Bär zittert nicht vor Kälte. Und wer sein Samichlaus-Kostüm noch nicht eingemottet hat, hat ebenfalls einen Wärmelieferanten für Nebiopoli. Einer der Höhepunkte der lauten Tage (Lärm heisst chiasso auf Italienisch) ist der grosse Umzug, dessen oft auf Missstände aufmerksam machende Mottowagen jeweils gebannt erwartet werden.

Strenger König

Bei La Stranociada in Locarnos Altstadt herrscht am 26. und 27. Januar Ausnahmezustand. Allerdings führt König Pardo II ein strenges Regiment. Beim Monarchen haben die Jüngsten kein Mitspracherecht. Nur wer über 16 Jahre alt ist, darf am Freitag- und Samstagabend durch die Festzelte ziehen. Fetzige Livemusik und Foodtrucks sorgen dafür, dass Spass und Energie nie ausgehen; es wird getanzt und geflirtet, jede Krise vergessen. Am Abschlusstag kehrt die Demokratie zurück. Beim Risottoessen mit Guggenmusik am Sonntag dürfen dann auch die Jüngeren ihre Kostüme zur Schau tragen.