Auf den Spuren von Pilgern und Handlungsreisenden

Publiziert: 18 Juni 2023

Mit dem Postauto unterwegs: Die Via del Ceneri gibt Einblick in die bewegte Geschichte eines Übergangs, der trennt und verbindet

Das gelbe Postauto nimmt Kurve um Kurve. Immer höher führt die Strasse, dem Bahngeleise und der Autobahn entlang. Der Blick geht zurück über die Magadino-Ebene, die Festungsanlage von Bellinzona und weiter bis zum Alpenkamm. In Cadenazzo sind wir umgestiegen. Von der S20 auf das Postauto 231. Unser Ziel: «Riviera, Passo del Ceneri», die Haltestelle auf der Ceneri-Passhöhe, wo vor ein paar Jahren die Piazza Ticino eingeweiht worden ist. Der Stopp ist auch ab dem Bahnhof Rivera-Bironico mit der Postautolinie 455 erreichbar. Der elliptisch angelegte «Platz Tessin» symbolisiert den Schnittpunkt zwischen den Regionen Locarno, Bellinzona und Lugano, das dort errichtete Totem dagegen die Fertigstellung der neuen Eisenbahn-Alpentransversale. Die hoch aufragende Säule besteht aus beim Tunnelbau ausgebaggertem Gesteinsmaterial, die am Bauwerk angebrachten Linien widerspiegeln die historischen Wege, die sich an diesem Ort kreuzen: die «Strada Regina», die «Strada Francesca» und die «Strada Romana». Wir rasten kurz auf den neu angelegten Holzbänken, dann geht es los.

Der Monte Ceneri ist so etwas wie das Herzstück des Tessins. Ein Pass, der den Norden vom Süden des Kantons trennt, aber auch ein verbindendes Element, dessen Bedeutung weit über die regionalen Grenzen hinausgeht. Seit seiner ersten Erwähnung im Jahr 1004 (Mons Ceneris) wurde der Übergang von Reisenden genutzt. Gewerbetreibende, Händler, Pilger, aber auch ganze Armeen haben den 554 Meter hohen Pass überquert. Der Themenwanderweg «La Via del Ceneri» gibt Einblick in die spannende Vergangenheit und Kultur eines Berges, der Geschichte geschrieben hat und noch heute auf der Nord-Süd-Achse eine wichtige Rolle einnimmt.

Wir wandern über gut begehbare Wege und alte Saumpfade, durch Schatten spendende Kastanienwälder, entlang kleiner Wasserläufe und vorbei an historischen Zeugnissen, wie etwa dem Vogelfängerturm (Roccolo) oder der Kirche San Leonardo, welche die Adelsfamilie Rusca erbauen liess und die dem nahen Dorf bis zum 18. Jh. seinen Namen gab (heute Robasacco). Zwischen den Waldstücken liegen idyllische Maiensässe, die jetzt hauptsächlich an den Wochenenden und in den Ferien bewohnt sind. Jeden ersten Mittwoch des Monats öffnet am Monte Ceneri das Radio Museum, das die Entwicklung des Radios illustriert und dem Kulturerbe des Kantons Tessin angehört. Die Informationstafeln am Wegrand erinnern unter anderem daran, dass die heute so idyllisch erscheinende Gegend nicht immer so friedlich war. Wo in früherer Zeit Handelsleute reisten, waren auch die Wegelagerer nicht weit. Ob der Ortsname Robasacco tatsächlich von solch räuberischer Tätigkeit (ruba il sacco – der Ort, an dem der Sack geraubt wird) zeugt, lässt die Geschichte offen. Eventuell deutet er auch auf eine Gegend hin, wo die Ernte (Kastanien, Trauben etc.) in Säcke gefüllt und so auf den Markt gebracht wurde (roba a sacchi).

Die Strecke kann entweder bis Cadenazzo (ca. 2,5 Stunden) oder bis Bellinzona (17,8 km in rund 4 Std. und 40 Min.) zurückgelegt werden. Beide Orte werden von öffentlichen Verkehrsmitteln bedient.

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