Napoloeons Milizen aus dem Bleniotal feiern ihr 200-Jahre-Jubiläum

Publiziert: 17 Juni 2012

Im Gedenken an die beim napoleonischen Russlandfeldzug bei der Beresina ums Leben gekommenen Vorfahren lösen die Blenieser am kommenden Wochenende zum 200. Mal einen Schwur ein. Ein Rückblick nach Europa zur Zeit, als der Kanton Tessin soeben entstanden war.

Der Schwur von 1812 gilt heute noch

Am kommenden Wochenende wird im Bleniotal, in Leontica, das Fest des Heiligen Giovanni Battista, Johannes der Täufer, gefeiert. Es beginnt am Freitagabend um 21 Uhr mit einer Disco und setzt sich am Samstag und Sonntag fort – ein Wochenende im Zeichen von 200 Jahre Milizen aus dem Bleniotal.

Vor 200 Jahren nahmen Soldaten aus dem Bleniotal mit Napoleons Grand Armée am Russlandfeldzug teil. Er entwickelte sich zur verheerenden Niederlage. Am Fluss Beresina kam es zu einem der grössten Gemetzel der Kriegsgeschichte. Dort legten die Bleniesen ihren Schwur ab: Sollten sie unversehrt ins Tessin zurückkehren können, sollte jedes Jahr eine Militärparade zu Ehren der Madonna und von Johannes dem Täufer gefeiert werden. Und so ist es heute noch.

Das detaillierte Programm steht hier zum Download bereit: www.leontica.ch

In der Tessiner Zeitung, Ausgabe vom 4. Mai 2012, schrieb Martina Kobiela einen Hintergrund zu den Milizen aus dem Bleniotal:

Tessiner an der Beresina

Vom 26. bis zum 28. November 1812 kämpfte die Grande Armée von Napoleon gegen die Truppen des Zaren Alexander I. an der Beresina. Mit Napoleons Rückzug markierte diese Schlacht das Ende des Russlandfeldzugs. An der Seite der Franzosen kämpften auch tausende Schweizer, darunter hunderte Tessiner. Von 75’000 Soldaten der Grande Armée konnten kaum 40’000 auf das jenseitige Ufer der Beresina flüchten. Die restlichen waren den Angriffen der Truppen des Zaren wehrlos ausgeliefert. Am 29. November traten nur 300 Schweizer zum Appell an. Noch Jahre später erinnerten drei kleine Hügel flussabwärts an die Opfer: Die Erhebungen waren aus angeschwemmten Leichen entstanden.

Ein 200 Jahre alter Eid

Bevor die Kampfhandlungen begannen, hatten einige junge Männer aus dem Bleniotal einen Eid abgelegt. Sollten sie lebendig in ihre Heimatdörfer zurückkehren, würden sie ihr Überleben jedes Jahr mit einer Militärparade zu Ehren der Madonna und des heiligen Johannes der Täufer danken. Die drei noch heute jährlich stattfindenden Prozessionen in Aquila, Leontica und Ponto Valentino gehen auf diesen Moment zurück. [...] Ausfindig gemacht haben die Historiker bei ihren Recherchen in den Registern der Schweizer Regimenter 26 Blenieser im Alter von 17 bis 36 Jahren: 23 Füsiliere, zwei Voltigeure und einen Grenadier. Jedoch gehen sie davon aus, dass die Zahl der Soldaten aus der italienischen Schweiz höher war. Sie haben herausgefunden, dass die Rekruten sich hauptsächlich freiwillig bei den Regimentern gemeldet haben. Dies widerspricht mündlichen Überlieferungen wonach viele junge Tessiner gezwungen wurden, für Napoleon zu kämpfen. Bestätigen konnten die Historiker jedoch die Gründung der Milizen unmittelbar nach der Rückkehr der Soldaten aus Russland. Ausser den heute noch existierenden Milizen von Aquila, Ponto Valentino und Leontica, soll es auch in Corzonesco und Olivone Milizen gegeben haben. Diese verschwanden jedoch bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

Unesco-Weltkulturerbe

Mit den Feierlichkeiten zum Jubiläum wolle man dem ausserordentlichen Opfer, das das Bleniotal für den Rest des Kantons erbracht habe, gedenken. Es sei wichtig, dass sich die Tessiner erinnern, was 1812 an der Beresina geschehen sei und dass die jährlichen Umzüge kein Kostümfest seien, erklärten die Präsidenten der drei Milizen einhellig im Vorfeld des Jubiläums. Denn im Grunde handele es sich bei den Prozessionen nicht um freudige Anlässe, sondern es gehe um das Gedenken der Blenieser Soldaten, die den Russlandfeldzug nicht überlebt hatten, und um den Dank der Nachkommen der Überlebenden. Denys Gianora, Präsident der Miliz von Leontica, betonte, dass es gerade jetzt besonders wichtig sei, auch ausserhalb der italienischen Schweiz sichtbar zu werden. Denn der Kanton habe den Antrag gestellt, die napoleonischen Milizen des Bleniotals auf die Liste der lebendigen Traditionen des Unesco-Weltkulturerbes zu stellen. Eine Vorentscheidung würde voraussichtlich im Herbst fallen, erklärte Gianora.

Kommandos auf Deutsch

Bis vor 15 Jahren erhielten die Milizen von Ponto Valentino ihre Kommandos bei der jährlichen Feier noch auf deutsch. Das sei historisch korrekt erklärt Ivo Genni, Präsident der Miliz. Denn die Schweizer Regimenter der Grande Armée hätten zu 85 Prozent aus Deutschschweizer Soldaten bestanden. „Fast alle Kommandanten waren damals deutschsprachig”, erklärt Genni. Auf französische Befehle hätten die Schweizer nicht reagiert, erklärt der Kommandant der Milizen Ponto Valentino.

„Für uns ist es keine Folklore”

Die Blenieser Milizen sind einzigartig in der Schweiz, auch weil sie nicht als touristisches Instrument missbraucht wurden, davon sind die Präsidenten der Milizen von Ponto Valentino und Leontica, Ivo Genni und Denys Gianora, überzeugt. Im Gegenteil, wie der Präsident der Milizen von Leontica betont: „Für uns ist es keine Folklore. Wir sind mit Herz und Seele in den Blenieser Milizen. [...].”

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