Lebendige Geschichte

Publiziert: 29 Juni 2014

Die Nachkommen der Blenieser Soldaten von Napoleons Grande Armée marschieren durchs malerische Aquila.

Aquila ist ein ruhiges Tessiner Dorf im sonnigen Bleniotal – nicht allzu weit von Acquarossa entfernt. Doch diesen Sonntag, um halb elf, wird die ländliche Ruhe von militärischem Gleichschritt, Tambouren und klappernden Bajonetten zerrissen. Denn zum Marienfest (Madonna del Rosario) ehren die Einwohner Aquilas ihre Vorfahren, die vor mehr als 200 Jahren für Napoleon in Russland in die Schlacht an der Beresina zogen. Damals, Ende November 1812, hatte der harte Winter in Russland bereits begonnen. Schon vor Wochen war der erste Schnee gefallen. Der Übergang über den von treibenden Eisschollen bedeckten Fluss Beresina im heutigen Weissrussland war der Anfang vom Ende des Russlandfeldzuges der Grande Armée. Tauwetter hatte eingesetzt, das Heer versuchte den Fluss auf hastig aufgestellten Brücken zu überqueren, die immer wieder zusammenbrachen. Gleichzeitig wurden die Soldaten von russischen Truppen angegriffen. 


Nur 300 Schweizer Soldaten traten tags darauf zum Appell an



Von 75’000 Soldaten der Grande Armée konnten kaum 40’000 auf das jenseitige Ufer der Beresina flüchten. Die restlichen waren den Angriffen der Truppen des Zars wehrlos ausgeliefert. Tags darauf, am 29. November traten nur 300 Schweizer zum Appell an. In dieser ausweglosen Situation schworen die Tessiner Soldaten aus dem Bleniotal einander, dass die Überlebenden und ihre Nachkommen von nun an jedes Jahr die Gefallenen in ihrer Heimat ehren würden. Ein Schwur, an den sich einige Milizen auch 202 Jahre später noch halten. Und ein Brauch, der in die Liste der lebendigen Traditionen der Schweiz aufgenommen wurde und vielleicht eines Tages zum UNESCO-Welterbe wird. 


Ehre den tapferen Vorfahren aus dem Bleniotal


Zwei Wochen nach Leonticas Miliz zum Fest von Johannes dem Täufer marschieren die Milizen von Aquila. Eine Besonderheit ist, dass beim Umzug durch das Dorf hinter der Kompanie die Kadetten, der Nachwuchs der erwachsenen Milizen, marschieren. Bereits am Freitag und Samstag finden erste Umzüge und Feierlichkeiten in Aquila statt. Die Milizen beteiligen sich an verschiedenen militärischen Übungen und holen ihr Material ab. Der wichtigste Tag bleibt jedoch das Marienfest am Sonntag. Bereits um 7.30 Uhr morgens spielen die Tambouren. Aus den verschiedenen Teilen des Dorfes marschieren die Milizen zum Gemeindehaus, wo sie sich versammeln und zum Appel antreten. Ausser den verschiedenen Umzügen der Miliz durch die steilen Strässchen Aquilas spielen die Heiligen Messen (um 8.30 Uhr und um 10.30 Uhr) eine zentrale Rolle. Höhepunkt ist jedoch die Vesper (um 15.00 Uhr) und die darauf folgende Prozession nach Dangio und zurück, bei der die Madonna die Miliz begleitet. Der lauteste Teil ist die anschliessende Ehrensalve für die Verstorbenen im Friedhof von Aquila.

Historische Milizen marschieren im Juli auch in Ponto Valentino


Die tapferen Soldaten, die 1812 für Napoleon an der Bersina kämpften, werden auch in den Dörfern Leontica – am letzten oder vorletzten Junisonntag, dem Fest von Johannes dem Täufer – und Ponto Valentino – am dritten Sonntag im Juli, zum Tag der Madonna del Carmelo – jährlich geehrt. An diesen Tagen kehren viele Menschen aus dem Bleniotal, die über den ganzen Kanton, die Schweiz und das Ausland verteilt leben, gerne nach Hause zurück. Die Mitglieder der Milizen von Leontica und Aquila tragen erst kürzlich erneuerte Uniformen, die denen der Schweizer Truppen unter Napoleon Bonaparte nachempfunden sind. Die Uniformen der Miliz von Ponto Valentino gehen hingegen auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück.

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