Himmlisches ganz irdisch in der Santa Maria degli Angioli

Publiziert: 12 Oktober 2014

Die herausragendsten Renaissance-Fresken der Schweiz sind in Lugano zu bewundern. Selbst wer wenig für Kunst übrig hat, wird von der Lebendigkeit und emotionalen Ausdruckskraft der Werke Bernardino Luinis fasziniert sein.

Die wertvollsten Edelsteine ruhen meist unentdeckt im rohen Gestein. So ist es auch gut möglich, dass achtlos vorbeigeht, wer das Seeufer von Lugano entlang schlendert und die schlichten Mauern der Kirche Santa Maria degli Angioli sieht – ohne zu ahnen, was sich im Innern verbirgt. Dieser Spaziergänger verpasst eines der kostbarsten Meisterwerke des Landes, Kunstliebhaber begehen geradezu ein Sakrileg. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstand in dem damaligen Minoritenkloster das berühmteste Renaissance-Wandbild der heutigen Schweiz. Das Fresko stellt die Passion und Kreuzigung Jesu dar. Es ist ein trauriges Thema, doch wie üppig, bunt, voller Dynamik und liebevoller Details setzt es der Maler um! Wie viele Geschichten erzählt er rund um das statische Zentralmotiv!

Pralles Heiligenleben


Bernardino Luini hiess der Mann. Wer öfters ins Tessin oder nach Norditalien reist, dem fällt der Name früher oder später auf. In Bellinzona, Chiasso und Locarno, in Turin und Varese wurden Strassen nach dem grossen Lombarden benannt, in Lugano ein Platz. Leonardo da Vinci, Raffael und Bramantino haben seine Werke geprägt. Luinis Bilder zieren die grossen Museen der Welt, in London, Madrid, Sankt Petersburg und Washington. Wer sie gesehen hat, versteht warum. Vor allem seine Kinderdarstellungen sind einmalig, voller Bewegung, aus dem prallen Leben gegriffen: ein kleiner Jesus, der auf dem Schoss seiner Mutter herumzurutschen scheint, an ihrer Schulter eingeschlafen ist, seiner Mama mit grossen Augen die Wange streichelt. Entsprechende Darstellungen finden sich vor allem in Mailand (unter anderem in der Pinacoteca di Brera und Ambrosiana), aber auch in Bergamo (Lombardei) oder Bobbio (Emilia-Romagna).

Tod und Leben


In der Kirche Santa Maria degli Angioli ist in der ersten Seitenkapelle ein Musterbeispiel zu finden: eine Madonna mit dem Jesuskind, das ein Lamm nach Lausbubenart höchst unheilig am Ohr zaust, während ein ebenso heiterer Johannes mit dem Finger auf ihn zeigt. Wirklich traurige Gesichter machen dagegen die Engel auf dem grossen Hauptfresko, vor allem einer links des Gekreuzigten – er zieht einen richtigen Flunsch. Auch beim dritten Luini, einem Abendmahl im ehemaligen Refektorium der Kirche, wird man das Gefühl nicht los: Hier standen keine verklärten Himmelsgestalten Pate, sondern Menschen aus Fleisch und Blut. Vordergründig mögen Luinis Fresken das Leiden darstellen, hintergründig aber geht es um das Leben – Treffender hätte man die Botschaft von Tod und Auferstehung nicht interpretieren können. Renaissance vom Feinsten!

Info

Chiesa Santa Maria degli Angioli
Piazza Luini
6900 Lugano
+41 91 922 01 12

www.luganoregion.com
www.ticino.ch

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