Das geheime Dorf bei Bellinzona

Publiziert: 21 April 2014

Geheimtipp gefällig? Hier ist er, und er heisst: Prada. Gemeint sind nicht italienische Lederwaren. Es gibt auch im Tessin ein Prada – eine tief im Wald verborgene, mystische Ruinenstätte.

In den Bergen östlich von Bellinzona liegt ein Ort, der Romantikern, Entdeckern und Abenteurern das Herz höher schlagen lässt: tief im Wald verborgene, einsame Ruinen, ein geradezu mystischer Ort, und doch von der Kantonshauptstadt aus leicht zu erwandern: Prada.

Nach dem Aufstieg wird man belohnt


Auf halber Höhe des Berghangs von Ravecchia ist es still. Vom Trubel, der noch vor einer halben Stunde im Zentrum der Kantonshauptstadt, aber auch beim nahen Castello di Sasso Corbaro herrschte, keine Spur mehr. Die Kronen der alten Kastanien halten einen guten Teil des Sonnenlichts ab. Ins Schwitzen kommt man trotzdem, denn der schmale Pfad führt bergauf. Doch das ist urplötzlich vergessen. Alte Mauern schimmern zwischen den Büschen und Bäumen hindurch, Ruinen, ein ganzes Dorf! Es sind nicht nur einfache Hütten und Ställe. Auch stattliche Bauten ragen empor, mit grossen Toren und Rundbögen. Hier wohnten nicht nur arme Bergbauern.

Einsame Ruinen mitten im Wald


Doch bis auf das Kirchlein im Zentrum sind alle Gebäude zerfallen, von Gestrüpp und Unkraut überwuchert. Der Ort wurde irgendwann vor langer Zeit aufgegeben. Seine Einwohner kamen nie mehr zurück. Trotz des für das Überleben einer beträchtlichen Bevölkerungszahl günstigen Umfelds, trotz der damals noch intakten Häuser, die geradezu steinerne Einladungen an spätere Siedler darstellten, fanden sich keine. Prada zerfiel zur Geisterstadt. Warum nur? Etwas Schreckliches muss vor langer Zeit hier passiert sein.

Verlassen seit fast 400 Jahren


Das Grauen erreichte Prada wahrscheinlich anno 1629. Nichts konnten die Menschen dagegen tun, es gab keine Hilfe, keine Verteidigungswaffe – gegen den Schwarzen Tod. "Borromäische Pest" wurde diese Epidemie genannt, die damals vor allem Oberitalien und das Tessin heimsuchte und ganze Landstriche entvölkerte. Ein anonymer Chronist berichtet, dass damals in Arsizio (zwischen Como und Mailand) eine grosse Rattenplage herrschte. Hunderte habe er in einem Haus gesehen, so viele, dass es nicht gelang, sich vor ihnen zu schützen. Ratten gelten als Quelle der Beulenpest. Die Erreger werden meist durch Flöhe auf den Menschen übertragen. Die Überlebenschancen liegen bei rund 50 Prozent. Bei der viel gefährlicheren Lungenpest oder Schwarzen Pest erfolgt die Ansteckung durch Tröpfcheninfektion direkt von Mensch zu Mensch. Sie hatte einen kürzeren Verlauf und endete fast immer tödlich.

Ein Ort von stillem Zauber


Welche Form in Prada tobte, weiss man nicht. Nur dies: Das Dorf soll damals ein einziges Lazarett gewesen sein. Ob jemand überlebte, ist auch nicht bekannt, ebenso wenig, warum ungünstiger gelegene Weiler wieder besiedelt wurden, das einst wohlhabende Prada aber nicht. So liegt es noch heute im Wald, einsam und geheimnisvoll, ein bisschen gruselig, aber auch friedlich und voll stillem Zauber. Trotz seiner traurigen Geschichte, birgt es auch Trost. Die kleine Kirche erhebt sich noch immer intakt aus den Ruinen. Alljährlich am ersten Sonntag im August feiert man dort das Fest von Prada. Auch am Pfingstmontag herrscht Umtrieb. Kürzlich wurden im Chor spätmittelalterliche Fresken entdeckt. Geweiht ist das Gebäude dem heiligen Hieronymus (San Girolamo). Er gilt als einer der vier grössten spätantiken Kirchenlehrer und wird oft als kontemplativer Mönch dargestellt. Albrecht Dürer gab ihm auf einem seiner berühmtesten Stiche diverse Attribute bei, darunter einen menschlichen Schädel, das Sinnbild der Vergänglichkeit – und das Kreuz, das die Überwindung des Todes symbolisiert.

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